Was motiviert Menschen wirklich?
Was treibt uns Menschen an? Wie entsteht Motivation? Mit diesen Fragen beschäftigen sich nicht nur Wissenschaftler, sondern genauso alle Trainer, deren Aufgabe es ist, Menschen zu Spitzenleistungen zu bringen, sei es im Sport oder im Business. Sie kennen alle die Geschichte vom Esel, dem eine Möhre vor der Nase baumelt? Was passiert da? Der Esel kommt in Bewegung, weil er die Möhre erreichen will. Aber wie lange wird er das wohl versuchen? Irgendwann bemerkt er sicher, dass die Entfernung zur Möhre immer gleich bleibt, unabhängig davon, wie sehr er sich anstrengt. Ob er dann noch weitergeht? Das Beispiel hört jedoch bei der Möhre nicht auf, denn der zweite Teil der Geschichte erzählt von einem Mann hinter dem Esel, der das Tier mit der Peitsche vorantreibt. Aber wie lange lässt sich der Esel das gefallen? Oder spürt er irgendwann die Peitsche gar nicht mehr? Was hat nun der Mensch mit dem Esel gemeinsam?
Menschen bekamen in der Vergangenheit und auch heute noch oft genug zu hören: „Wenn du machst, was wir dir sagen, dich an die Gesetze hältst, deine Steuern pünktlich bezahlst und an dies oder jenes glaubst, dann wird es dir gut gehen, du kommst ins Paradies, erlangst Erleuchtung und wirst ewig leben. Verstösst du jedoch gegen die Gesetze und bezahlst deine Steuern nicht, dann ergeht es dir schlecht und du kommst in die Hölle oder an einen anderen schlimmen Ort.“ Sehen Sie die Parallele zum Esel? Die Möhre bzw. das Paradies steht für Lust, für etwas, das wir unbedingt haben möchten. Je stärker diese Lust ausfällt, umso mehr und schneller möchten wir das Ziel erreichen. Dadurch bewegen wir uns auf etwas zu, nämlich in Richtung des verlockenden Anreizes. Auf der anderen Seite repräsentiert die Peitsche bzw. die Hölle etwas, das wir unbedingt vermeiden möchten. Folglich bewegen wir uns davon weg. Beispiele für dieses Prinzip gibt es viele. Von jeher wurden Kriegssöldner gerne mit der Aussicht auf materiellen Reichtum und viel Ehre als Helden angeworben (= Freude/Lust). Andernfalls malte man ihnen ein mühvolles Leben aus, geprägt von Leid und Armut (= Schmerz/Angst). Die Mafia geht nach demselben Grundsatz vor bei der Drohung: „100 000 Dollar in bar oder die Füsse in Beton“. Diese Taktik ist aber auch im Management wohl bekannt: Wer vollen Einsatz zeigt, macht Karriere (Lust) und wer sich zu wenig engagiert, verliert seinen Job (Angst). In den Worten der inzwischen allgegenwärtigen Multilevel-Marketingszene heisst das: „Wenn du zu uns kommst und nach unseren Regeln arbeitest, wirst du Millionär. Tust du das nicht, bleibst du arm und ohne Ansehen. Ähnliche Prinzipien finden wir ebenso in Verkaufsgesprächen und sogar in der Schule.“ Es gibt Führungskräfte und Unternehmer, aber auch Erziehende, die entweder die eine oder die andere Art der Motivation nutzen. Der „Hin-zu“-Motivator" verstärkt die Lust, das Ziel und die positive Vorstellung. Der „Weg-von“-Motivator" dagegen verstärkt die Angst und nutzt die Vorstellungskraft negativ. Daher spricht man hier auch von Angstmotivation. Ich kenne einen Versicherungsvertreter, der es perfekt beherrscht, diese Angstmotivation zu erzeugen: Er malt seinen Kunden schreckliche Bilder aus, wie z. B. ihr abgebranntes Haus ausschauen könnte und welche Konsequenzen es hätte, wenn sie dann nicht entsprechend versichert wären. Bei Menschen, die vorwiegend Schmerz vermeiden wollen, funktioniert diese Strategie hervorragend. Ob sie ethisch vertretbar ist, steht auf einem anderen Blatt. Generell stellt Angstmotivation die ungünstigere Form des Handlungsantriebs dar. Denn während positive „Hin-zu“-Motivation stets zu konkreten Aktivitäten führt, um bestimmte Ziele zu erreichen, ist der „Weg-von“ -Motivator auf nichts anderes als die Vermeidung weiterer Angst gerichtet. Dementsprechend hält er auch nur solange an, wie der Angstzustand besteht. Neben dem „Hin-zu“- und dem „Weg-von“ -Motivator gibt es aber noch einen dritten, nicht zu unterschätzenden Motivator: Die Macht der Gewohnheit. Menschen tun viele Dinge, weil sie sie immer schon so gemacht haben, obwohl dieses Verhalten bei näherem Hinsehen vielleicht gar keinen Sinn mehr ergibt. Daneben kann man ausserdem eine ganze Reihe inhaltlicher Motive oder Antreiber unterscheiden. In der Motivationspsychologie wurde Abraham Maslow in den 50er und 60er Jahren mit seiner so genannten Bedürfnispyramide bekannt. Ihm zufolge will der Mensch zunächst seine biologischen Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken, Schlafen und Arterhaltung erfüllen. Das stellt die Basis der Pyramide dar. Die nächste Stufe dreht sich um unser Bedürfnis nach Sicherheit und Angstfreiheit. Die dritte Stufe beschäftigt sich laut Maslow mit der sozialen Zugehörigkeit und Liebe. Hier sind alle zwischenmenschlichen Beziehungen von Bedeutung. Auf Stufe vier ist das Streben nach sozialem Status angesiedelt. Um Selbstverwirklichung und die Entfaltung des eigenen Potenzials geht es auf der fünften Ebene. Schliesslich ist die höchste Stufe der Transzendenz gewidmet, womit spirituelle Bedürfnisse gemeint sind. Laut Maslow können wir die Stufen nur von unten nach oben erreichen. Bis zu einem gewissen Grad ist das auch logisch: Wenn jemand Hunger leidet, beschäftigt er sich wohl kaum mit der Entwicklung seiner Persönlichkeit. Dennoch reicht Maslows allgemeines Bedürfnisschema noch nicht aus, um die individuellen Antreiber des Einzelnen zu bestimmen. Denn diese fallen bei jedem Menschen anders aus. Möchten Sie herausfinden, welches Ihre wichtigsten sind?
Welche Motive sind Ihnen wichtig?
Der nachstehende Fragebogen hilft Ihnen zu erkennen, wie stark Ihr Antrieb in verschiedenen grundlegenden Lebensbereichen ausfällt. Versuchen Sie die folgenden Fragen zügig und spontan zu beantworten. Gehen Sie dabei nicht von Ausnahmesituationen aus (wenn Sie z. B. frisch verliebt sind), sondern davon, wie Sie die Motive normalerweise und in den meisten Fällen für sich einschätzen. Kreuzen Sie für jeden beschriebenen Antrieb auf der Skala von 1 bis 10 an, wie wichtig Ihnen der jeweilige Motivator ist. Bei einem Antrieb von 10 sind Sie kaum mehr zu halten und höchst bereit, Zeit und Energie im jeweiligen Bereich zu investieren. Menschen mit dem Antrieb Null bleiben dagegen morgens im Bett liegen, weil Ihnen der Grund fehlt aufzustehen (die buchstäbliche „Nullbockstimmung“).
Zu jedem Motiv werden mehrere Fragen gestellt, um Ihnen eine Vorstellung davon zu vermitteln, welche Aspekte ein Antrieb umfassen kann. Sollten Ihnen bei einem Punkt Begriffe oder Teilfragen unzutreffend oder widersprüchlich erscheinen, ignorieren Sie sie einfach und konzentrieren Sie sich auf diejenigen Aspekte, die für Sie sinnvoll sind.
1. Selbstbestimmung
Wie hoch schätzen Sie Ihr Bedürfnis nach Selbstbestimmung ein? Ist es für Sie bedeutsam, selbst entscheiden zu können, was Sie tun und wie Sie es tun? Fällt es Ihnen schwer sich anderen unterzuordnen? Arbeiten Sie gerne selbstständig?
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2. Anerkennung
Wie stark ist Ihr Bedürfnis nach Anerkennung? Spielen Aufmerksamkeit und Rückmeldungen von anderen eine grosse Rolle für Sie?
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3. Dominanz/Macht
Wie wichtig ist es Ihnen Einfluss zu haben? Halten Sie gerne alle Fäden in der Hand? Geben Sie häufig den Ton an?
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4. Kontakt
Wie wichtig sind zwischenmenschliche Beziehungen für Sie? Arbeiten Sie gerne im Team? Sind Sie ungern allein?
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5. Materieller Reichtum
Welchen Stellenwert nehmen Geld und materieller Besitz für Sie ein?
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6. Ordnung/Struktur
Wie ordentlich sind Sie? Gehen Sie gerne nach Plan vor? Arbeiten Sie am liebsten strukturiert?
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7. Luxus
Was bedeutet Ihnen Luxus? Mögen Sie z. B. teuren Schmuck, schnelle Autos und 5-Sterne-Hotels?
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8. Gerechtigkeit
Wie stark ist Ihr Gerechtigkeitssinn ausgeprägt? Spielen Prinzipien wie Alle sollen gleich viel von allem haben/bekommen eine Rolle für Sie?
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9. Harmonie
Wie hoch schätzen Sie Ihr Streben nach Harmonie ein? Vermeiden Sie häufig Konflikte?
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10. Gesundheit
Wie sehr achten Sie auf Ihre Gesundheit? Treiben Sie regelmässig Sport? Ernähren Sie sich ausgewogen?
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11. Spass/Freude
Haben Sie gerne Spass? Sind Sie eine Frohnatur? Lachen Sie viel und gerne? Sind Sie ein Genussmensch?
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12. Bequemlichkeit/Komfort
Mögen Sie es gerne bequem? Achten Sie auf Reisen und im Urlaub auf Komfort? Wie gemütlich ist Ihr Zuhause eingerichtet?
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13. Abwechslung
Wie wichtig ist Abwechslung für Sie? Ist es für Sie entscheidend, viele verschiedene Dinge zu tun? Finden Sie Routine und Gewohnheiten langweilig?
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14. Information/Neugierde
Wie ausgeprägt ist Ihr Informationsbedürfnis? Lesen Sie viel? Bilden Sie sich weiter? Schauen Sie sich lieber Informationssendungen an als Unterhaltung?
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15. Sexualität
Wie wichtig sind Ihnen Zärtlichkeit und Sex?
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16. Freizeit
Wie bedeutsam ist es für Sie, Freizeit zu haben, in der Sie keinen Verpflichtungen nachkommen müssen? Brauchen Sie viel Zeit für sich und Ihre Interessen?
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17. Zukunft/Perspektive
Welchen Stellenwert nimmt Ihre Zukunftsperspektive bei Ihnen ein? Beschäftigen Sie sich viel mit Ihren Wünschen, Träumen, Hoffnungen und Zielen?
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18. Spielen
Wie gerne spielen Sie (z. B. Computer-, Karten- oder Gesellschaftsspiele), und zwar zum Vergnügen, nicht nur als Zeitvertreib?
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19. Herausforderungen
Wie wichtig sind für Sie Herausforderungen? Packen Sie gerne immer wieder ganz neue Dinge an, auch wenn Sie dabei etwas riskieren müssen? Mögen Sie Extremsportarten?
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20. Sicherheit
Wie stark ist Ihr Sicherheitsdenken ausgeprägt? Investieren Sie viel Zeit und Geld, um sich sicher zu fühlen? Wie wichtig ist es Ihnen, das zu erhalten, was Sie im Augenblick haben?
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21. Religion/Glauben/Spiritualität
Welche Rolle spielen Religion, der Glauben an eine höhere Macht oder eine andere Form der Spiritualität in Ihrem Leben?
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22. Altruismus
Sind Sie gerne für andere da? Stellen Sie Ihre eigenen Wünsche häufig zurück, um anderen zu helfen?
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23. Kreativität
Gehen Sie gerne kreativen Beschäftigungen nach wie Malen, Musizieren, Basteln, Schreiben, Handarbeiten, Fotografieren etc.?
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24. Leistung
Wie wichtig ist es für Sie etwas zu leisten? Sind Sie ehrgeizig?
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Wenn Sie alle Fragen durchgegangen sind, sehen Sie sich das Ergebnis in Ruhe an. Erkennen Sie eine Struktur hinter Ihren Antworten? Mit dem Fragebogen halten Sie einen klaren Überblick in Händen, welche Antreiber Ihnen besonders wichtig und welche irrelevant sind. Überrascht Sie das Resultat?
Je besser es uns gelingt, unsere wirklichen Bedürfnisse zu befriedigen, umso erfolgreicher und glücklicher werden wir. Viele Menschen jedoch leben nicht ihre wirklichen Bedürfnisse aus und das führt dazu, dass Menschen beginnen, zu kompensieren. Kann ein Manager seine Karriere nicht fortsetzen, wird er eben Präsident im Golfclub. Und das ist nur eine harmlose Form der Kompensation. Frustkäufe, Drogen und sexuelle Perversionen sind problematischere Konsequenzen. Machen Sie sich bewusst, dass uns Scheinbefriedigung, die uns mit Vorliebe die Werbung suggeriert, auf Dauer nicht erfüllen. Oder machen 500 Schuhpaare eine Frau wirklich glücklich? Wenn ein Mensch seine Bedürfnisse über lange Zeit nicht wenigstens teilweise befriedigen kann, wird er krank. Denn jedes starke Bedürfnis setzt sich in der Regel durch.
Daher ist es fundamental wichtig für jeden Menschen, seine Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen, denn nur so kann er glücklich sein. Das Wort „Glück“ leitet sich übrigens von dem Wortstamm „gelingen“ ab. Wenn es uns also gelingt, unsere Bedürfnisse zu leben, sind wir glücklich. Darum sollten wir auch die Ziele, die wir uns setzen, auf jeden Fall mit unseren echten Bedürfnissen verknüpfen. Solange sich Menschen über ihre Bedürfnisse nicht im Klaren sind, lassen sie sich viel einfacher beeinflussen, ja sogar manipulieren. Andere wiederum laufen Dingen hinterher, die Ihnen von Eltern, Lehrern, Partnern oder den Medien als Bedürfnisse eingeredet wurden. Deshalb können wir für uns selbst nichts Besseres tun, als unsere ureigenen Bedürfnisse herauszufinden und danach zu leben.
Herzlichst
Martin Betschart

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