Wie motiviert man 150 türkische Führungskräfte?
Ein Freund rief mich an und fragte, ob ich immer noch so „verrückte“ Sachen mache, wie etwa Feuerlaufen. Er suche jemanden, der das könne und der in der Lage sei, zum Abschluss einer Seminar-Woche in Antalya einen Feuerlauf zu leiten. „Auf türkisch?“, war meine erste Frage? „Ja, klar auf türkisch“, meinte er.
OK, dachte ich mir, ist sicher eine spannende Herausforderung.
Erst ging das übliche Prozedere los. Telefontermin mit dem Direktor der türkischen Firma. (Ja, in der Türkei gibt es noch Direktoren). Dann, wie üblich in der Türkei, die Honorar-Diskussion. Natürlich fielen dann Worte wie: „Ja, soviel haben wir noch nie bezahlt, höchstens die Hälfte.“ So, jetzt ist es wichtig standhaft zu bleiben, ansonsten kann ich auch wieder mal ein schönes Wochenende machen, dachte ich mir.
Nachdem mein Büro abgeklärt hatte, ob es überhaupt möglich war für diese Zeit dahin zu kommen (ich hatte am Tag zuvor ein Seminar bis spät in die Nacht und auch der Montag war voller Termine) wurden wir uns schnell einig.
Jetzt musste alles nötige Material organisiert werden, was nicht so einfach war. Die Seminarunterlagen mussten auf türkisch übersetzt werden. Das Seminar musste ausgearbeitet und angepasst werden. Das Ganze musste natürlich der türkischen Mentalität angepasst werden.
Die Teilnehmer hätten alle eine akademische Ausbildung und seien grundsätzlich westlich orientiert, meinte der Direktor: sie tanzen, trinken Alkohol, feiern gerne Parties und für mich besonders wichtig, es seien keine religiösen Fundamentalisten dabei. Und was mich sehr positiv überraschte, war, dass sehr viele Frauen dabei sein werden.
Dann musste auch noch die Power-Point-Präsentation übersetzt werden und wer eignete sich am besten dazu? Unsere ehemalige Mitarbeiterin Manolya mit der Muttersprache türkisch. Sie machte das hervorragend und schnell neben ihrem normalen Job.
(Das war richtig adlermässig).
Da mein Seminar in der Schweiz am Abend zuvor bis nach 22.00 Uhr dauerte, musste ich am frühen Morgen über Hannover nach Antalya fliegen. Das war wirklich nicht mein Ding um 05.00 Uhr aufzustehen, denn normalerweise bin ich dann mitten im Tiefschlaf. Doch mit der entsprechenden Einstellung ging auch das.
Nachmittag um 15.30 Uhr nach einer pünktlichen Landung (bin sonst kein Fan von Sun Express, die hatten mich mal vor drei Jahren stehen lassen und ich konnte erst viel später fliegen, was einen grösseren Verlust zur Folge hatte) wurde ich abgeholt. Der Fahrer sprach ein hervorragendes Englisch und klärte mich während der Fahrt auf, was in den letzten drei Jahren in Antalya alles passiert sei.
Kurz nach vier bin ich im Hotel (nagelneu, soll das Beste in Belek sein) angekommen. Nach kurzer Besprechung, Besichtigung, Zimmerbezug und Umziehen, ging es um 18.00 Uhr los. Die Menschen, die ich sah, sahen nicht „türkisch“ aus, denn sie waren sehr modern und westlich gekleidet, was auch auf das Denken schliessen liess. Ich wurde sehr herzlich empfangen und es zeigte sich schnell, dass die Teilnehmenden sehr „hungrig“ auf mein Wissen waren.
Ich würde live, 1 zu 1 übersetzt, was sehr zeitintensiv war. Jedoch war es von Vorteil, dass einige Teilnehmer etwas deutsch oder englisch sprachen.
In der ersten Stunde zeigte ich Hintergründe über Einstellung und Erfolgsprinzipien auf und wir machten einige Übungen, die schnell deutlich machten, welches ungeahnte Potential doch in uns steckt. Doch die grössten Bremser sind die Ängste und deshalb schauten wir das ein bisschen genauer an und die Teilnehmer notierten ihre persönlichen und unnützlichen Ängste auf ein Blatt Papier. Dazu kamen noch negative Emotionen und einschränkende Überzeugung.
Da der Seminarleiter schon die ganze Woche Spannung auf den letzten Abend aufbaute, war es ihm nicht bis zum Schluss gelungen, nichts vom Feuerlaufen zu erzählen. Das hatte Vor- und Nachteile. Bevor wir uns auf den Weg zum Strand machten und die Ängste symbolisch dem Feuer übergaben, erklärte ich den Teilnehmern, warum es überhaupt möglich sei, über mehrere hundert Grad heisse Glut zu gehen, ohne sich die Füsse zu verbrennen.
Anschliessend ging es darum, die Teilnehmer mental und physisch auf das Vorhaben vorzubereiten. Regeln zu besprechen etc.
Dann kam der Moment der Entscheidung. Die Teilnehmer konnten es kaum erwarten und stürmten zum Strand, so dass es zeitweise schwierig war, das Ganze unter Kontrolle zu halten. Mittlerweile hatte sich das im Hotel herumgesprochen und somit kamen auch noch einige Zuschauer dazu, die ebenfalls in Schach gehalten werden mussten.
Doch, wir konnten nicht beginnen, denn die nachdrücklich bestellte Schaufel und der Rechen waren nicht da. Obwohl drei Helfer herum standen, wurde erst einmal diskutiert und telefoniert bis endlich jemand in die Gänge kam. (Dieses Verhalten scheint mir nach wie vor sehr typisch zu sein für viele Menschen. Es wird sehr schnell mal „ja“ gesagt, doch nichts gemacht. Warum ist das nur so? Wollen viele einfach keine Verantwortung übernehmen? Ich habe es noch nicht herausgefunden. Vielleicht wissen ja Leser dieses Blogs mehr.)
Endlich kam jemand an mit einer „Stechschaufel“ mit der es sehr schwierig war, einen schönen Glutteppich auszubreiten. Doch es klappte alles, die Teilnehmer konnten es nicht erwarten und machten von hinten soviel Druck, dass ich sie energisch zurückweisen musste, denn die Sicherheit ging vor. (Denn, wenn jemand auf die Glut steht und das nicht sieht, weil sie oben nicht mehr so glüht, kann das zu schmerzhaften Blasen führen.)
Es wurden Fotos gemacht, gefeiert, vor Freude und Begeisterung getanzt etc.
Es war gar nicht so einfach, die Teilnehmer wieder in den Seminarraum zu bekommen für den letzten Teil des Seminars.
Am Schluss: „Standing Ovation“ und die Teilnehmer standen Schlage, um mich in die Arme zu nehmen. So was hatte ich wirklich noch nie erlebt und ich muss sagen, es könnte süchtig machen. Einfach ein geniales Gefühl zu wissen: „Du hast das Beste gegeben, und die Energie kommt dankbar zurück.“
Dass mich auch Männer küssten, daran musste ich mich erst noch gewöhnen. Mittlerweile war es 23.00 Uhr, bis wir zum Essen kamen (also eine volle Stunde überzogen, doch das interessierte niemanden, ausser das Service Personal).
Nach dem Essen in die Bar, nach der Bar in die Disco und immer wieder wurde ich bestürmt mit Fragen und Komplimenten. Morgens um halb drei war Schluss, ich konnte nicht mehr, während die Teilnehmer ausgelassen und euphorisch in der Disco tanzten, zog ich mich zurück, fiel zufrieden ins Bett und schlief durch bis um 11.00 Uhr (die Nacht zuvor war ja auch sehr kurz). Am morgen eine Runde schwimmen (mit Joggen wurde leider nichts mehr) und dann packen für die Heimreise.
Kaum in der Hotellobby angekommen, wurde ich erneut bestürmt mit Komplimenten und Fragen. Ich bekam diverse, ganz persönliche Einladungen, worüber ich mich sehr freute. Sehr, sehr zufrieden trat ich meine Heimreise an und ich bin nun gespannt, was daraus passiert. Der Veranstalter jedenfalls meinte, ich werde zum neuen Star in der Türkei… Na ja, mal sehen. Eine tolle Erfahrung war es auf jeden Fall und ich habe die Türkei einmal ganz anders erlebt.
Herzlichst
Martin Betschart

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